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„Ich wünschte, meine Eltern hätten mir ihre Sprache beigebracht“

08.02.2016

Kinder von Einwanderern, die die Sprache ihrer Eltern nicht mehr sprechen können, empfinden dies häufig als großes Defizit. Zu Recht, denn die nicht erlernte Familiensprache kann u.a. zu Problemen in der sozialen und emotionalen Entwicklung führen, weiß Prof. Andrea Schalley, Gastwissenschaftlerin am Zentrum für Allgemeine Sprachwissenschaft (ZAS) in Berlin.

„Der Erhalt der Familiensprache ist wichtig, weil nur sie es Kindern mit Migrationshintergrund erlaubt, intensiven sozialen Kontakt mit ihren Großeltern zu pflegen, oder die Kultur, aus der sie stammen, aus erster Hand zu erlernen und zu erfahren. Das ist sehr wichtig für ihre Identitätsentwicklung“.

Wissenschaftlich wurden die psychosozialen Faktoren beim Spracherwerb bislang eher vernachlässigt. Welchen Einfluss hat z.B. die Einstellung der Gesellschaft zu einer bestimmten Sprache und Kultur, oder auch die Einstellung der Einwanderer selbst auf das Wohlbefinden der Kinder? Bislang wurde vor allem die sprachliche Kompetenz der Sprachlerner verfolgt und gemessen, aber nicht systematisch der Zusammenhang mit den psychosozialen Faktoren untersucht.

Damit sich dies ändert, richten Prof. Andrea Schalley und ihre Kolleginnen Dr. Natalia Gagarina vom Zentrum für Allgemeine Sprachwissenschaft und Dr. Susana Eisenchlas die erste Konferenz eines neu gegründeten internationalen Netzwerkes aus: Social and Affective Factors in Home Language Maintenance and Development (‚Soziale und affektive Faktoren des Erhalts und der Entwicklung der Familiensprache’). Die Konferenz findet am 12. und 13. Februar am Zentrum für Allgemeine Sprachwissenschaft statt und wird in Kooperation mit der Heimatuniversität von Andrea Schalley und Susana Eisenchlas, der Griffith-University in Brisbane, Australien, organisiert.

Mehrsprachigkeit ist ein aktuelles Thema. Deutschland ist inzwischen eins der größten Migrationsländer geworden und hat auch Australien, das einst als typisches Migrationsland galt, den Rang abgelaufen. In Deutschland wächst der Anteil in der Bevölkerung, der nicht nur Deutsch im Alltag spricht. Daher muss sich Deutschland mit dem Thema auseinandersetzen, um möglichen Problemen vorzubeugen, die etwa durch Fehlinformationen und falsche Erwartungen entstehen können. Auch für integrationswillige Flüchtlinge ist es z.B. wichtig, die Familiensprache zu erhalten, insbesondere dann, wenn Deutsch von keinem Erwachsenen mit ausreichender Kompetenz beherrscht wird.

Mehrsprachigkeit ist kein Bildungsnachteil. Kinder können problemlos mehrere Sprachen erwerben, ohne sprachliche Defizite zu entwickeln. Eine zusätzliche Sprache ist nicht nur für das Kind eine wichtige Ressource, sondern auch bei der Gestaltung einer modernen Gesellschaft im internationalen wirtschaftlichen Gefüge. Dennoch: Für Kinder sollte der Kontakt mit dem Deutschen so früh wie möglich stattfinden, am besten noch vor ihrem 24. Lebensmonat. Wird zuhause eine andere Sprache gesprochen, dann ist der regelmäßige Besuch einer Kindertageseinrichtung wichtig, möglichst mit deutschen Kindern und bei Erzieherinnen, die das Kind sprachlich fördern können.

Kontakt:
Zentrum für Allgemeine Sprachwissenschaft
Andrea Schalley, a.schalley@griffith.edu.au Tel. (030) 20 192-504
Natalia Gagarina, gagarina@zas.gwz-berlin.de Tel. (030) 20 192-506