* 28. Juli 1930 - † 31. Juli 2024
Im Jahre 2019 haben die Wissenschaftlerinnen Carla Umbach und Anette Leßmöllmann ein ausführliches Interview mit Manfred Bierwisch über die wichtigsten Meilensteine seiner Forschung verknüpft mit den jeweiligen politischen Gegebenheiten geführt. Link zu dem Video: http://www.gespraech-manfred-bierwisch.de/
Manfred was a treasured friend of mine for almost sixty years—since I first met him in his East German office in Berlin in 1968. I visited him many times over the years and he came to the US and stayed at my house several times as well---and we were together at the Max Planck in Nijmegen (once he rode me around on the back of his bike), and he invited me for a month when he ran a section of Max Planck in Berlin--which ed to much discussion. He was initially the primary exponent and supporter for formal approaches to grammar for all of Eastern Europe. He always supported language acquisition work in German and encouraged east german scholars to be interested in it.
I admired his detailed work on German and the challenges of V2. His courage was impressive in pursuing that work although the authorities disapproved of his reliance on Noam Chomsky who East Germans claimed promoted “bourgeois formalism”. He responded to official criticism by using anti-american examples in and pointing out Chomsky’s critique of US policies.
The government disapproved of his many Western visitors. I was taken aback when I realized that the mere fact that I visited him in his apartment could contribute to endangering him.
He told me once that everyone in East Germany had at least three opinions about the same events: an official one, another for acquaintances, and another for husbands and wives. He was an exemplary man and I am proud to have known him.
My memories on personal contacts with Manfred Bierwisch go far back in time, to autumn 1964, the time of the Prague Colloquium on Algebraic Linguistics (the attribute "algebraic" was inspired by Y. Bar-Hillel to refer to the arising trend in linguistics the name of which still oscillated between mathematical, computational, formal and algebraic) organized by a Praguian linguist Petr Sgall and a couple of his collaborators, in which such prominent scholars as J. J. Ross and E. S. Klima, M. Bierwisch, J. Kunze and H. Schnelle, J. Mey, H. Karlgren and B. Brodda, B. Vauquois, F. Papp, F. Kiefer and L. Kálmár. Manfred was already broadly recognized as a prominent figure in the starting "new trend" in linguistics, connected with the name of N. Chomsky and his followers (or oponents, as the case might have been). However, the scientific orientation was not the only link between us. The other was the fact that we shared the tough, intolerable political situation in our countries - Eastern Germany and Czechoslovakia - difficult to live in in those times. The more difficult was to go "outside", the closer were the intellectual and personal contacts. Even though our particular research topics in the course of time might have received a slightly different focus, ours oriented towards the further development of our theoretical framework and NLP, Manfred's insights have always been inspiring, providing a broader context and motivation.
He will be badly missed by the whole community.
R.I.P.
Homo politicus Bierwisch: Distanz, Engagement, Emotion
Bei der Trauer um Manfred Bierwisch sollte nicht vergessen werden, dass Manfred auf dem Weg ins vereinte Deutschland schlecht behandelt wurde, insbesondere als es um den Zusammenschluss der DGfS mit der GfS der DDR ging, deren Vorsitzender Manfred war. Der DGfS-Vorstand wollte eine Vereinigung auf Augenhöhe. Manfred kandidierte 1992 als Vorsitzender und unterlag einem eilig aufgestellten Gegenkandidaten. Er war darüber enttäuscht und zornig.
Die unerfreuliche Situation erregte Aufmerksamkeit bei Susanne Anschütz von der DFG. Anschütz etablierte eine kleine Arbeitsgruppe mit der Aufgabe, für den Überhang von doppelt positiv begutachteten Anträgen im Normalverfahren der DFG eine Prioritätenliste zu erstellen. Der Gruppe gehörten Bierwisch, Anschütz als Stimme der DFG und Eisenberg als gewählter Sprecher der Fachkommission Sprachwissenschaft an.
Weil jeder die Aufgabe ernst nahm, entwickelte sich trotz vieler Vorbehalte bald ein fachlicher Respekt. Man konnte sich aufeinander verlassen. Die Tätigkeit der Gruppe endete im Jahr 2012 mit dem Tod von Susanne Anschütz.
Zu dieser Zeit bestand längst eine stabile Freundschaft mit Manfred. Wir trafen uns dreimal im Jahr, meist zum Thema Sprache und Musik. Über die DGfS waren wir nur im Prinzip einig. Als man anfing, die Satzung der Gesellschaft zu gendern, sagte Manfred: „Das sind doch Sprachwissenschaftler. Sie werden über kurz oder lang merken, dass sie das nicht dürfen".
Die von Manfred Bierwisch umsichtig und professionell geleitete Arbeitsgruppe "Strukturelle Grammatik" war nicht nur für mich in den 90er-Jahren ein einmaliges, anregendes und vor allem auch aufregendes akademisches Umfeld, das nicht nur die linguistischen Sinne in vielerlei Hinsicht schärfte, sondern auch viele, teilweise sehr unterschiedliche Türen für neue linguistische Unterfangen öffnete. Manfreds klare Argumentation, seine Weitsicht und seine Freude an einem kritischen wissenschaftlichen Diskurs werden mir fehlen.
Manfred Bierwisch had been a name for me -- of a rising, then risen, star in the Universe of linguists and philosophers -- when I first had the chance to meet him in person. That was in 1982, at Stanford’s Center for Advanced Study in the Behavioral Sciences. Experiencing the person Manfred Bierwisch, as I then could, with his kindness, his integrity and his courage, a complement to and the foundation of his intellectual and scientific prowess, made him for me into the role model he has been ever since.
From now on I shall have to manage without him. But the example he has been for so many of us, and for me for so many decades, will remain.
Der Sommer 1989 bot mir nicht die wirklich erste Gelegenheit, Manfred Bierwisch kennenzulernen, aber präsentierte ein besonders denkwürdiges Ereignis. Einige Jahre vorher, in der Mitte der 1980er Jahre, besuchte Manfred Bierwisch uns am Seminar für Allgemeine Sprachwissenschaft in Düsseldorf. Das war eine mehr oder weniger unerlaubte Reise vom nicht weit entfernten Nijmegen aus. Seine freundliche Art hat mich jungen Mitarbeiter ebenso beeindruckt wie seine Souveränität und seine linguistische Weitsicht.
Ein zweites Mal habe ich Manfred im Sommer 1988 auf einer Phonologie-Tagung in Krems an der Donau getroffen. Ich erinnere mich daran, dass wir dort eine höchst amüsante Lesung des Dichters Ernst Jandl hörten. Die war nicht Teil der Tagung, obwohl das Spielen mit dem Sprachmaterial (Konkrete Poesie) gut dazu gepasst hätte.
Aber viel intensiver war die Begegnung mit ihm im September 1989! In der Zeit, in der die spätere politische Wende sich in vielfacher Weise ankündigte, fand die Sommerschule der DGfS an der Universität Hamburg statt, und zwar im September, als die Demonstrationen in den Städten der DDR und die Öffnung der Grenze in Ungarn einen deutlichen Schatten auf die Ereignisse der kommenden Monate warfen.
Später habe ich insbesondere seine Überlegungen zum Verhältnis von Phonologie und Schrift als wegweisend und theoretisch herausragend empfunden, wohl wissend, dass diese nur einen kleinen Teil seiner umfassenden Arbeiten darstellten.
Neben dem Schmerz des Abschieds von Manfred Bierwisch steht der herzliche Dank.
Nachdem ich ihn schon um 1965 als Hörer seiner Vorlesung und ab 1969 als Kollege am ZISW erlebt hatte, erfuhr ich dann in den 80er Jahren in Manfred Bierwischs Arbeitsgruppe Kognitive Linguistik – als Gast aus dem Nachbarbereich Automatische Sprachverarbeitung – das fröhliche menschliche und wissenschaftliche Willkommen- und Gleichgeachtetsein, und hier habe ich so manches semantische Rüstzeug mitbekommen für mein späteres lexikographisches Tageshandwerk beim Goethewörterbuch.
Diesem, dem GWb, war Manfred Bierwisch aktiv zugetan. Bis ganz zuletzt war er Mitglied des sechsköpfigen Projektleitungsgremiums aus den drei tragenden Akademien. Aus dieser Stellung heraus hat er unsere – teils organisatorisch kniffligen – Schritte der Digitalisierung mit Freude und mit Erfolg unterstützt. Schon 2002 hatte er auf folgendes Grundsätzliche hingewiesen: „... dass das Erbe der Lexikografie kein Besitzstand sei, der gegen Neuerungen bewahrt, sondern im Gegenteil für neue Bedingungen aufgeschlossen werden müsse. Man dürfe nicht hinter den technischen und technologischen Neuerungen zurückbleiben und müsse darüber hinaus neue Dimensionen für die lexikografische Arbeit erschließen.” (Oda Vietze, Tagungsbericht Berlin 14.–16.10.2002)
Kennengelernt habe ich Manfred Anfang der 90-er, als Leiter der Arbeitsgruppe Strukturelle Grammatik, im Kolloquium in der Prenzlauer Promenade und später in der Jägerstrasse. In den vergangenen Jahren haben wir uns immer wieder im Cafe getroffen – Cafe Wolkenstein am Bundesplatz. Manfred nannte es manchmal etwas despektierlich "unsere Stammkneipe".
Die Gepräche drehten sich im wesentlichen um Linguistik, und wir waren uns mitnichten immer einig. Oft diskutierten wir die Bedeutung der Dimensionsadjektive und das unterschiedliche Verhalten der Antonyme, oft aber auch Themen, an denen ich gerade arbeitete. Er hat mir manchen guten Hinweis gegeben. Bedingt durch Manfreds zunehmende Schwerhörigkeit wurden die Diskussionen meistens laut – einige Male haben wir wohl das ganze Cafe mit linguistischen Thesen versorgt.
2019 haben Annette Leßmöllmann und ich ein Interview mit Manfred geführt (s. den link am Kopf der Seite). Es ging darum, die verschiedenen Themen, an denen er gearbeitet hat, zu verdeutlichen, und den Weg der "Arbeitsgruppe strukturelle Grammatik" nachzuzeichnen, die Manfred von Mitte der 60-er bis zu ihrem Ende in den 90-er leitete. In Kapitel drei des Interviews demonstriert Manfred die Bedeutung der Dimensionsadjektive anhand einer Pappschachtel. Die hat er mir nach den Dreharbeiten geschenkt, mit einer Widmung, in der er mir "langen und breiten Dank" für das Interview aussprach.
Den Dank möchte ich zurückgeben: Manfred, mit langem und breitem und tiefem Dank für die Begegnung mit dir.
So traurig, dass ich hier mein tiefstes Beileid aussprechen möchte. Ich kann seine sorgfältige Betreuung, seine grandiose Wissenschaftlichkeit und seine herzlichste Menschlichkeit nie vergessen. Dafür bedanke ich mich bei ihm ewig.
Als ich in Leipzig anfing, Linguistik zu studieren, waren Manfred Bierwischs Arbeiten ganz zentral in der kleinen Gruppe um Anita Steube. Großartig war dann das Praktikum an der Akademie in Berlin, wo ich Manfred persönlich kennenlernen durfte. Sein Werk wird weiterhin Bedeutung und Einfluss haben.
Manfred was a founding member and teacher at the PhD program "Economy and Complexity in Language" (1996–2005) at Humboldt University in Berlin and the University of Potsdam. I remember him as an incredibly supportive and dedicated teacher. His passion for linguistics and the enthusiasm with which he shared his knowledge were truly invaluable to me. He emphasized the importance of complex and interdisciplinary thinking to gain deeper insights into linguistics.
Im Jahr 1969, als ich meine Tätigkeit am damaligen Zentralinstitut der Akademie der Wissenschaften der DDR begann, lernte ich Manfred Bierwisch zum ersten Male kennen. Es war mir schnell klar, dass Manfred ein außergewöhnlicher Mensch ist, nicht nur ein brillianter Linguist, sondern zugleich eine der Kultur und den Künsten zugewandte Persönlichkeit. Wir hatten bald mehr miteinander zu tun und fanden allmählich ein freundschaftlich-kollegiales Verhältnis zueinander. Mit Interesse und großer Achtung habe ich sein Wirken verfolgt und viel von ihm gelernt.
1990, als ich wieder in Jena arbeitete, hatte ich die Freude, die Gremien der Friedrich-Schiller-Universität überzeugen zu können, Manfred aus Anlass seines 60. Geburtstages mit der Verleihung der Ehrendoktorwürde zu ehren. Manfred hatte in den vorausgegangenen Jahren mehrfach spannende Vorträge und sogar längere Weiterbildungsseminare in unserer Sektion gestaltet und somit eine Beziehung zur Jenaer Sprachwissenschaft gefunden.
Der Tod von Manfred ist ein schwerer Verlust. Die Lücke, die er hinterlassen hat, ist kaum zu schließen. Meine Gedanken gehen oft zu ihm und rufen gute Erinnerungen wach an einen unvergesslichen klugen, geistreichen und humorvollen großen Wissenschaftler.
Ich bin traurig. Ich habe durch Manfred gerlernt, was es heißt, sprachliche Kombinatorik zu beschreiben. Und über den Kontext DDR bestehen andere Verbindungen, die mich berührt haben. Ich werde ihn vermissen.
Mit Trauer habe ich die Nachricht vom Ableben des großen Linguisten - und Menschen - J Manfred Bierwisch gelesen. Ich habe ihn Anfang der Siebziger Jahren im Institut für Sprachwisseenschaft der Akademie der Wissenschaften der DDR kennen gelernt und war dann zusammen mit ihm an dessen Abwicklung beteiligt, habe ihn auch oft in anderen Funktionen getroffen. Von Anfang an habe ich ihn bewundert, auch wenn meine theoretische Ausrichtung von der seinen immer sehr verschieden war. Ich werde ihn immer zu den bedeutensten Linguisten zählen, die ich persönlich kennen lernen durfte (ab Martinet, Jakobson, Chomsky).
Ich hatte das große Glück, während meiner Promotionszeit an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften Vorlesungen von Manfred Bierwisch an der HU Berlin zu besuchen und ihn dadurch jenseits seiner Schriften kennenzulernen. Ich bin unendlich dankbar für diese Vorlesungen und die Impulse, die ich von diesem großartigen Wissenschaftler und Menschen bekommen habe.
Manfred Bierwisch ist es zu verdanken, dass die Linguistik in der DDR international rezipiert wurde und die internationale Entwicklung rezipierte. Davon habe auch ich als Student in Leipzig immens profitiert. Die Möglichkeit, unter seiner Anleitung an der Arbeitsgruppe Strukturelle Grammatik promovieren zu können, habe ich als Privileg empfunden.
Die Trauer ist groß, habe ich doch Manfred über viele Jahrzehnte bewundert, angefangen 1972, als ich seinen Beitrag zum Kursbuch 5 gelesen (und wohl auch verstanden!) habe: Der Aufsatz zum Strukturalismus wurde damals als Raubdruck im Buchladen am Savignyplatz verkauft. -- Und auch ich war in den Siebzigern in seiner Wohnung zu Besuch und habe seine Gastfreundschaft genossen. Eine besondere Ehre war es dann, die Feier zu seiner Ehrendoktorwürde der Uni Leipzig musikalisch umrahmen zu dürfen. In seiner Rede dort ging er ausführlicher ein auf seine damaligen Probleme mit den Staatsorganen und den Kollegen, ausführlicher als in seinem Interview mit Carla Umbach. Als ich ihn nach diesem Interview fragte, ob er denn diesen Teil seines Lebens in einem weiteren Interview noch einmal revue passieren lassen wolle, war er freundlich wie immer. Es hat nicht sollen sein. Groß ist die Trauer, groß der Verlust.
With Manfred Bierwish a great mind and a dear, dear friend passed. The two of us first met in Berlin on Oktober 11, 1976, 48 years ago. Just appointed as Projektgruppe-Leiter, I came to meet the greatest German linguist and to ask his advice on many matters. It should have been him to lead this Max-Planck-Projektgruppe. But totally isolated himself by the DDR government and without Wissenschaftsabkommen between East and West Germany, this was out of the question. Still, Manfred was more than generous. He helped me right away with important advice and, honestly, we became friends on the spot. We made Manfred auswaertliches Mirglied of our Institute (which was only possible because our Institute was not in the BRD). Manfred and Monika came over for an extended visit in 1979. One of its highlights was Manfred’s joining Wolfgang Klein and myself to Pisa for the Chomsky workshop there. I was the one who introduced Manfred to Noam. I will not describe the further rich history of our friendship and cooperation, especially after the reunification, but it deeply enriched my life.
Manfred Bierwisch hinterlässt ein großes Erbe. Er hat mich – wie so viele Andere – entscheidend wissenschaftlich geprägt, schon seit der ersten Vorstellung meines Dissertationsthemas bei ihm, und ich verdanke ihm viel. Ich habe ihn als jemanden erlebt, der durch seine Begeisterung für wissenschaftliche Fragen und seine klugen Einsichten inspiriert, dabei immer auf Augenhöhe kommuniziert und offen für neue Perspektiven war.
Another great one gone...
Während meiner Zeit als Studentin am MPI in Nijmegen, hatte ich die große Ehre Manfred Bierwisch kennenzulernen. Ein sehr bodenständiger und gleichzeitig so wissender Linguist, der mich sehr beeindruckt hat.
Mein Beileid an die Angehörigen.
Manfred Bierwisch hinterlässt eine große Lücke in der Sprachwissenschaft!
Sehr traurig!
Großer Schmerz ob des Verlusts – große Bewunderung für alles, was bleibt und weiter wirkt
Dass der bewunderte Manfred Bierwisch von uns gegangen ist, betrübt mich sehr. Seine linguistische Arbeit hat mich seit den Studententagen begleitet. Unvergesslich ist mir ein Besuch in seiner Ostberliner Wohnung in den 70er Jahren. Er war ein freier Denker mit einem unglaublichen Reichtum des Wissens. Es war mir eine besondere Ehre, sein Stellvertreter und Nachfolger als Sekretar der Geisteswissenschaftlichen Klasse der BBAW gewesen zu sein. Ich werde den großen Sprachwissenschaftler und Freund nicht vergessen.
Manfred Bierwisch hat noch vor ein paar Jahren regelmässig Vorträge bei uns besucht und mit seinen scharfsinnigen Fragen bereichert. Enger mit Manfred zusammen gearbeitet habe ich bei Noam Chomskys Besuch des ZAS 2005, den er enthusiastisch unterstützt hat. Sein Werk hat mich oft inspiriert, auch dieses Jahr noch habe ich seine Arbeit zu Antonymen zitiert. Ich vermisse ihn und werde noch oft an ihn denken.
Wir trauern um Manfred Bierwisch, einen großen Linguisten und wunderbaren Menschen. Ich erlebte Manfred erstmals 1971 in Ostberlin. Er hielt einen Vortrag außerhalb der Uni, der mich tief beeindruckte, obwohl ich damals nur wenig verstand. Als ich später in Westberlin selbst Linguistik studieren durfte, bekam ich einen ersten Eindruck von der Bedeutung dieses Wegbereiters der modernen deutschen Linguistik. Seine wissenschaftliche Genialität konnte ich aber erst so richtig ermessen, als ich Anfang der 80er–jetzt in Stanford–die Literatur für meine Dissertation zur dt. Syntax studierte. Da wünschte ich, ich könnte den großen Kollegen persönlich kennenlernen. Der unausgesprochene Wunsch wurde mir flugs erfüllt: Manfred kam als Gast-Fellow ans Center for Advanced Study (CASBS), wo ich als Forschungsassistent an meiner Diss saß. In den Folgemonaten lernte ich ihn wirklich gut kennen und durfte ihn bald auch Jake nennen, wie seine alten Ost-Freunde. Ich und die anderen Linguisten in und um Stanford lernten viel in den zahlreichen Treffen mit ihm. Nach dem Mauerfall nahm Jake mich mit zum ersten Forschungsminister der Nachwende-DDR, um diesem die Organisation der Forschung in BRD und USA zu erklären. Es hat nicht viel bewirkt, weil dann gleich die Wiedervereinigung kam und die Minister in Bonn bereits alles wussten.
Seine Forschungsleistungen werden Manfred einen bleibenden Platz in der Wissenschaft bewahren. Wir, die wir ihn kennenlernen durften, werden ihn ohnehin nie vergessen!
Ich habe Manfred Bierwisch in meiner Zeit als Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Psycholinguistik (Nijmegen, NL) 1985-1990 näher kennengelernt und ihn erlebt als einen Forscher, der sich in allen Bereichen des Sprachsystems und deren kognitionswissenschaftlichen Einbettung inklusive der Beziehung zu Musik und Dichtung souverän auskannte. Das hatte nicht nur mit seiner enormen Bildung zu tun sondern in erster Linie damit, dass er bei jedem Detail mit einer Art Adlerblick dessen Stellung in dem großen Entwurf der Spracharchitektur erfasste. Einer meiner Kollegen von der Radboud Universiteit, der Phonologe W.U.S. van Lessen Kloeke, fand die treffenden Worte: „Wenn Manfred in eine Diskussionsrunde kommt, geht im Saal das Licht an:“ Gleichzeitig war Manfred ein ungemein freundlicher, fairer, uneitler und durchaus auch mit Humor gesegneter Zeitgenosse. Seine Bescheidenheit drückte er gelegentlich aus, indem er auf seine bahnbrechenden wissenschaftlichen Beiträge als Präludien verwies. Für mich war es ein Glücksfall, Manfred begegnet zu sein und ihn als Lehrer, spiritus rector und auch als Freund gehabt zu haben. Ich habe ihm sehr viel zu verdanken, und er hat mich auch in späteren Jahren immer wieder mit Rat und Tat unterstützt. Sein Tod erfüllt mich mit tiefer Trauer. Requiescat in pace.
In Trauer sprachlos ... Hans-Martin
Mit Bestürzung und Trauer lese ich nun erst jetzt, dass Manfred Bierwisch verstorben ist. Die Nachricht trifft mich sehr, denn auch wenn unsere Freundschaft in vielfältige institutionelle Bezüge eingebunden war und ihre besonderen Zeitebenen hatte, verliere ich mit ihm doch einen nahen, bewunderten, in jeder Begegnung inspirierenden und beglückenden Freund. Für seine Wissenschaft und für die ungezählten Menschen, die sich ihr verpflichtet haben, geht mit seinem Tod ein Stück Geschichte zuende.
Mir wird die scharfe Intelligenz, Freundlichkeit und vor allem die Großzügigkeit von Manfred Bierwisch sehr fehlen. Er war ein großartiger Sprachwissenschaftler und ein außergewöhnlicher Mensch.
Die Nachricht vom Ableben von Herrn Professor Manfred Bierwisch hat die Mitglieder der Sprach- und Literaturwissenschaftlichen Klasse der Ungarischen Akademie der Wissenschaften tief erschüttert, war doch der Verstorbene durch seine herausragende Tätigkeit weltweit bekannt und durch seine vornehmen Eigenschaften sowie seine großen wissenschaftlichen Fähigkeiten hochgeachtet. Wir sind sehr stolz darauf, dass wir Herrn Professor Bierwisch durch seine Wahl zum Ehrenmitglied unserer Akademie haben näher kennen lernen dürfen. Durch seine mannigfaltigen und langjährigen wissenschaftlichen Kooperationen mit ungarischen Sprachwissenschaftlern und Sprachwissenschaftlerinnen hat er hierzulande die Entwicklung der Linguistik wesentlich gefördert, bereichert und unterstützt. Wir werden ihn als einen der bedeutendsten Sprachwissenschaftler unserer Zeit, einen hilfsbereiten Kollegen und einen engen Freund vieler ungarischer Sprachwissenschaftler und Sprachwissenschaftlerinnen in Erinnerung behalten.
Hiermit möchte ich Ihnen meine aufrichtige Anteilnahme aussprechen und tue dies auch im Namen aller Mitglieder unserer Klasse - u. a. derer, die Professor Bierwisch' Wirken gut kennen, über die Jahrzehnte hinweg mit ihm Kontakt hielten und durch seine Gedanken ihre eigenen Forschungen prägen ließen: Katalin E. Kiss, lstvan Kenesei, Andcis Kertesz und Giampaolo Salvi.
Prof. Dr. Balázs Boros
Vorsitzender der Sprach- und Literaturwissenschaftlichen Klasse der Ungarischen Akademie der Wissenschaften
He was a legend. He was an eminent scholar. He was an honest person in difficult times. He was a strong ally to our institute, of which he has been an external scientific member since 1985. And above all, he was a wonderful friend for many in Nijmegen and elsewhere. Plain facts can never give a worthy picture of his kindness.
Ohne die wegweisenden wissenschaftlichen Beiträge von Manfred Bierwisch, angefangen mit der Grammatik des deutschen Verbs von 1963, die trotz widriger Umstände ihre Anerkennung fanden, ohne sein intellektuelles Gewicht und Verhandlungsgeschick in der Zeit nach der Wende, würde es das ZAS mit hoher Sicherheit nicht geben. Ich fühle mich glücklich, ihn über die letzten vier Jahrzehnte gekannt zu haben, nicht nur als Wissenschaftler, sondern auch als Menschen.
Mit großer Bestürzung haben wir erfahren, dass am 31. Juli 2024 Manfred Bierwisch im Alter von 94 Jahren verstorben ist.
Bierwisch gilt als einer der bedeutendsten und einflussreichsten Sprachwissenschaftler nicht nur in Deutschland, sondern auch international. Beginnend mit seiner Dissertation 1961 haben seine Arbeiten die Kerngebiete der deutschen Sprachwissenschaft revolutioniert und den Grundstein für eine moderne Grammatiktheorie gelegt, wie sie heute noch weitestgehend gültig ist. Seine Forschung erstreckte sich darüber hinaus auch auf angrenzende Disziplinen wie die Neuropsychologie, aber auch Literatur und Musik. Als Wissenschaftler in der damaligen DDR war er immer wieder schwierigen politischen Umständen ausgesetzt, gleichzeitig gab es jedoch auch immer wieder Förderer, die seine außergewöhnliche Begabung erkannten und es ihm ermöglichten, weiter zu forschen.
1981 wurde an der Akademie der Wissenschaften am Zentralinstitut für Sprachwissenschaften unter der Leitung von Manfred Bierwisch die Arbeitsgruppe „Kognitive Linguistik“ eingerichtet. Das Zentralinstitut ist gewissermaßen die Vorgängereinrichtung des ZAS. Als 1992 die Akademie der Wissenschaften aufgelöst wurde, wurde Manfred Bierwisch von der Max-Planck-Gesellschaft die Leitung einer erneut eingerichteten Arbeitsgruppe „Strukturelle Grammatik“ übertragen, die für fünf Jahre an der Humboldt-Universität angesiedelt war. 1993 wurde Bierwisch zum ordentlichen Professor an die Humboldt-Universität zu Berlin berufen und war seit jeher eng dem ZAS verbunden.
Manfred Bierwisch hat nie aufgehört, Sprachwissenschaftler zu sein und hat bis zuletzt noch regelmäßig publiziert.
Er wird uns sehr fehlen.
Unsere Gedanken sind bei seiner Familie und seinen Angehörigen.
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