Mehr als sieben Millionen Euro davon gehen ans Leibniz-Zentrum Allgemeine Sprachwissenschaft in Berlin
Ein deutsch-italienisches Forscherteam erhält zehn Millionen Euro vom Europäischen Forschungsrat, um zu beweisen, dass unser Denken die Sprache bestimmt. Mehr als 100 Jahre ging die Wissenschaft hingegen davon aus, dass Sprache das Denken formt. Die Forscher wollen im Rahmen des Projekts „Realizing Leibniz’s Dream: Child Languages as a Mirror of the Mind“ Sprachdaten von Kindern in 50 Sprachen auf der ganzen Welt untersuchen. Möglich macht dies der ERC Synergy Grant, den die Sprachwissenschaftler gewonnen haben.
Bestimmt die Sprache unser Denken, oder unser Denken die Sprache? Während seit gut 100 Jahren die Annahme gilt, dass es die Sprache sei, die das Denken formt, kehren drei Forscher nun zurück zu einer alten Idee, die besagt: Erst kommt der Gedanke, dann seine sprachliche Realisierung. Namensgeber des Projekts ist der deutsche Universalgelehrte Gottfried Wilhelm Leibniz. Der war davon überzeugt, dass die menschliche Sprache der Schlüssel sei, um den menschlichen Geist zu verstehen. Die in Berlin und Mailand ansässigen Forscher gehen noch weiter und zweifeln die üblicherweise angenommene 1:1 Abbildung zwischen einem Gedanken und seiner sprachlichen Realisierung an. Vielmehr sei ein Gedanke unheimlich komplex und kann in der Sprache nur komprimiert ausgedrückt werden.
Prof. Dr. Artemis Alexiadou (Humboldt-Universität zu Berlin und Leibniz-Zentrum Allgemeine Sprachwissenschaft, Berlin), Prof. Dr. Maria Teresa Guasti (Universität Mailand-Bicocca) und Prof. Dr. Uli Sauerland (Leibniz-Zentrum Allgemeine Sprachwissenschaft, Berlin und Universität Potsdam) werden in mehr als 50 Sprachen auf der ganzen Welt untersuchen, welche Fehler Kinder in einem sehr frühen Stadium ihrer Sprachentwicklung machen. Besonders interessant sind für die Wissenschaftler diejenigen Fehler, bei denen Kinder mehr Worte als nötig verwenden. Beispielsweise bezeichnen ausnahmslos alle deutschen Kinder bis zu einem bestimmten Alter ein Auto ohne Räder als „das Auto mit ohne Räder“. Erst im Laufe der Zeit lernen sie, dass das Wort „mit“ überflüssig ist. Auch niederländische, portugiesische und indonesische Kinder machen diesen Fehler. In anderen Sprachen, wie dem Englischen, ist die komplexere Struktur hingegen richtig. Das Wort „without“ kann als Zusammensetzung aus „with“ und „out“ gesehen werden. Die Idee der drei Forscher ist, dass diese Zusammensetzung im Englischen die eigentliche Struktur unserer Gedanken ausdrückt, nämlich die Kombination des Konzeptes „mit“ und der Negation „nicht“. In Sprachen wie dem Deutschen oder dem Portugiesischen hingegen wird die Gedankenstruktur komprimiert ohne das Wort „mit“ ausgedrückt. Alexiadou, Guasti und Sauerland wollen nun weiteren Mustern dieser Art auf die Spur kommen.
Das auf sechs Jahre angelegte Projekt startet im Januar 2020.
Weitere Informationen und Interviewanfragen bitte an:
Dr. Fabienne Salfner
Pressestelle Leibniz-Zentrum Allgemeine Sprachwissenschaft
presse@leibniz-zas.de
Tel: +49 176 27805112