Leibniz-Zentrum Allgemeine Sprachwissenschaft Leibniz-Gemeinschaft

BILINGUAL - Spracherwerb als Voraussetzung zur sozialen Integration von russischsprachigen Kindern mit Migrationshintergrund in Deutschland und Israel

Im Projekt Spracherwerb als Voraussetzung zur sozialen Integration von russischsprachigen Kindern mit Migrationshintergrund in Deutschland und Israelwurde die bisher größte Sammlung von linguistischen und soziologischen Daten für die Population der 4-6 jährigen russischsprachigen Migrantenkinder in Deutschland durchgeführt. Anhand dieser Daten werden einerseits soziolinguistische Fragen bezüglich des Zusammenspiels von Integration und Spracherwerb untersucht. Andererseits wird (psycho)linguistischen Fragestellungen bezüglich des Spracherwerbs dieser Kinder auf Diskursebene, grammatischer und lexikalischer Ebene in Herkunfts- und Umgebungssprache nachgegangen.  

Unter www.migration.uni-jena.de steht seit März 2010 ein neu geschaffenes, interaktives Wissensportal zum Thema Migration zur Verfügung. Dort finden Sie auch die Ergebnisse des im Januar abgeschlossenen BILINGUAL-Projektes.

Forschungsthemen

Das Projekt ist Teil des deutsch-israelischen Forschungskonsortiums Migration and Societal Integration. Untersuchungsgegenstand ist die kulturelle Anpassung von Migranten in Deutschland und Israel und deren Auswirkungen auf psychosoziale Einstellungen der Migranten.

Zum russisch-deutschen Spracherwerb unter Migrationsbedingungen liegen bisher nur einige Einzelfallstudien vor. Da nach unterschiedlichen Zählungen 5-10% der Grundschüler in deutschen Schulen Russisch als Herkunftssprache haben, besteht hier erheblicher Forschungsbedarf bezüglich der zu erwartenden Sprachentwicklung in der Herkunftssprache Russisch und der Umgebungssprache Deutsch. Im Rahmen des Projekts am ZAS erfolgte eine umfangreiche Sammlung und Analyse linguistischer und soziologischer Daten von über 90 Kindern in drei Altersgruppen (4, 5 und 6 Jahre). Von 45 Kindern dieser ersten Stichprobe wurden nach 12 Monaten ein zweites Mal Daten erhoben.

Der Forschungsbeitrag zum Konsortium Migration and Societal Integration wird in Kooperation mit Linguisten der Bar-Ilan Universität in Israel, (Leitung: Prof. Dr. Joel Walters und Dr. Sharon Armon-Lotem) geleistet. Aus soziolinguistischer Perspektive wird untersucht, welche Zusammenhänge zwischen verschiedenen sprachlichen Fähigkeiten und Faktoren wie sozialer Identität, Einstellungen oder Übergängen, wie dem Schuleintritt, bestehen.

Die geschaffene umfangreiche Datensammlung dient außerdem zur Bearbeitung weiterer psycholinguistischer Fragestellungen.

Im Teilbereich Diskursive Fähigkeiten der bilingualen Kinder  werden Narrative der russisch-deutschen bilingualen Kinder untersucht. Der Fokus liegt auf den referentiellen Mittel, die zur Einführung und Weiterführung der topikalen Elemente verwendet werden. Faktoren, die die Wahl des referentiellen Ausdrucks beeinflussen können, wie zum Beispiel Informationsstatus, syntaktische Position und Funktion des Topiks, werden besonders berücksichtigt, mit Bezug auf sprachspezifische und sprachübergreifende Eigenschaften der Topikmarkierung.

Im Teilbereich Lexikon-Grammatik-Schnittstelle im bilingualen Spracherwerbwird der Zusammenhang zwischen der lexikalischen Entwicklung und der grammatischen Entwicklung in den beiden Sprachen der Stichprobe untersucht. Dabei wird die Behauptung der Modularisierung der sprachlichen Ebenen im fortgeschrittenen Spracherwerb überprüft und die unterschiedlich starke Verknüpfung der lexikalischen Kategorien Nomen und Verb mit der grammatischen Ebene berücksichtigt.

Im Teilprojekt Sprachstand Russisch wird ein Diagnostikinstrument geschaffen, das Aussagen über das Entwicklungsniveau der Herkunftssprache Russisch ermöglicht. Erreicht wird dies durch eine Kombination aus Tests zu sprachlichen Fähigkeiten und Elternfragebogen zu den individuellen Erwerbsbedingungen des Kindes und zum Verlauf der Sprachentwicklung in der Herkunftssprache. Anhand der Daten der Stichprobe wurden die Spracherwerbsschritte beim Erwerb des Russischen unter Migrationsbedingungen identifiziert, die es erlauben, zwischen einer spezifischen Sprachentwicklungsstörung und mangelnden sprachlichen Fähigkeiten aus anderen Gründen zu unterscheiden.